23.10.2008
Akko
Während der Exposure Week vergangene Woche waren wir unter anderem auch in Akko.
Akko ist eine Stadt, in der Juden und Araber eigentlich sehr friedlich zusammenlebten. Nun ist sie aber in den vergangenen Wochen als Ort von schweren Ausschreitungen durch die Medien gegangen: Zum Jom-Kippur-Fest, dem jüdischen Versöhnungsfest und höchsten Feiertag, ruht in Israel das öffentliche Leben. Es ist verpönt, Auto zu fahren, der öffentliche Nahverkehr ruht, die Fernsehsender stellen ihr Programm ein (und die Videotheken machen mehr Umsatz als irgendwann sonst). An diesem Tag fuhr ein israelischer Araber mit seinem Auto durch ein jüdisches Wohnviertel. Warum er das tat, scheint nicht ganz klar zu sein — vermutlich war er nur auf dem Weg nach Hause, es wird aber auch behauptet, er sei mit lauter Musik in provokativer Ansicht unterwegs gewesen. An dieser (bewußten oder nur so verstandenen) Provokation entzündeten sich schwere Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern, Straßenschlachten, zerstörte Wohnungen, Wasserwerfereinsätze, Verhaftungen. Das Alternative Theaterfestival von Akko wurde zunächst abgesagt und konnte schließlich nur stark eingeschränkt stattfinden.
Ein Übergreifen der Unruhen auf andere Städte wurde befürchtet, die isrealische Politik war in hellem Aufruhr.
Zunächst schien es unsicher, ob es möglich sein würde, überhaupt nach Akko zu fahren. Letztendlich stellte sich die Situation aber völlig anders da als erwartet: In der historischen Altstadt von Akko, die vor allem von Arabern bewohnt ist, war von den Unruhen kaum etwas zu spüren. (Touristisch ist Akko ein Juwel: Enge Straßen, die aussehen, als seien sie seit Jahrhunderten unverändert, Händler die Gewürze verkaufen oder Fische, die so frisch sind, daß sie fast aus den Plastikwannen hüpfen, dabei nichts von dem Trubel des Suq von Jerusalem mit seinen Hunderten Kitschverkäufern und Touristenfallen.)
Die schönste Begegnung hatten wir dann mit diesem Händler, der einen der im Nahen Osten allgegenwärtigen Stände betreibt, die frischen Granatapfel- oder Orangensaft verkaufen:
Er hatte uns auf Deutsch angesprochen und eine wilde Geschichte von seinem Onkel erzählt, der in Deutschland Professor ist und den er schon mehrfach besucht hat. Die zahlreichen Brocken Deutsch, die er sprechen konnte, gipfelten schließlich in schwäbischen Zungenbrechern.
Neben uns stand ein jüdisches Paar, es entwickelte sich eine multireligiöse und multilinguale Konversation über die Unruhen: Aus Sicht der Beiden sind die Unruhen weniger ein religiöser Konflikt als ein Konflikt der Armen gegen die Armen. Schauplatz der ersten Auseinandersetzungen seien arme jüdische und arabische Viertel, andere Gruppen seien dann auf den Zug aufgesprungen und hätten die Lage für sich genutzt. Eskaliert sei die Entwicklung vor allem durch die Beteiligung von Juden, die früher in Gaza gelebt hatten und die nach der Räumung des Gaza-Streifens durch Israel 2003 in Städte wie Akko umgesiedelt wurden. Eine persönliche Sicht natürlich, aber nachvollziehbar: Deprivation statt Religion als Auslöser von Unzufriedenheit, Spannungen und Gewalt, wie so oft und überall auf der Welt.
Ein Hoffnungsschimmer:
Auf einem Platz vor der Altstadt hatten Friedensaktivisten eine große Sukka aufgestellt, eine Laubhütte, wie sie von den Israelis beim Sukkot-Fest benutzt wurde. Sie wurde als Begegnungsort verwendet, in dem Juden und Moslems, darunter jüdische Rabbis und muslimische Sheikhs sich trafen und das Geschehen diskutierten. (Hier ein Artikel aus Haaretz.)
(Bilder und Text: Matthias)
Ja, wenn ich über Akko lese steigt in mir alter Ärger wieder hoch: Ich hab damals nicht in diesen geilen Gewürzläden eingekauft. Chance verpasst! Mist! Der Duft von Damals liegt mir noch in der Nase. Und da gabs getrockneten Ingwer. Der soll ja so für alles gut sein vom Anti-Seekrank-Mittel bis zum Männer-Doping (so hat es zumindest der Verkäufer versprochen).
Mehr darüber, was in Akko im Herbst 2008 war:
http://brightsblog.wordpress.com/2008/10/14/wer-ist-gegen-das-festival-in-akko/
Die Siedler haben seit 2005 einen beträchtlichen Teil ihrer verbrecherischen Aktivitäten auf das Kernland Israel verlegt. Dies ist einer der Hauptgruende zu dem, was z.B. in Akko im Herbst 2008 war und warum das Theaterfestival dort abgeblasen wurde:
http://brightsblog.wordpress.com/2008/10/14/wer-ist-gegen-das-festival-in-akko/